#106 „Am meisten bereue ich die in der Haft verlorene Zeit“
Shownotes
„Am meisten“, sagt Elias, „bereue ich die Zeit, die ich in der Haft verloren habe.“ Und im Gefängnis ziehen sich die Tage besonders lang hin, erinnert er sich. Wie er diese Zeit in der Zelle erlebt hat und was er daraus für sein späteres Leben mitgenommen hat, das erzählt Elias in dieser Folge unseres WZ-Podcasts „Weiter gedacht“. Mit WZ-Redakteur Mathias Ziegler, der mit WZ-Host Petra Tempfer durch die Folge führt, spricht der Ex-Häftling auch darüber, wie er als Jugendlicher in die Kriminalität abgerutscht ist – und ob etwas anders hätte laufen müssen, damit das nicht passiert wäre.
Produziert von „hört hört!“.
Daten und Fakten
Rund 10.000 Personen sitzen derzeit in Österreich eine Haftstrafe ab, darunter sind 172 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren (die Strafmündigkeit beginnt in Österreich bei 14 Jahren), und zwar 157 Burschen und 15 Mädchen. Auch insgesamt ist der Frauenanteil mit 7 Prozent sehr gering. 60 Prozent der neu Inhaftierten in Österreich sind Ausländer:innen – der Anteil ist hier also wesentlich höher als jene an der Gesamtbevölkerung (knapp 20 Prozent). Weil die Justizanstalten aus allen Nähten platzen (die Belagskapazität ist eigentlich zu 110 Prozent ausgeschöpft), wird immer öfter ein (zumindest teilweises) Absitzen der Haftstrafe daheim mit elektronischer Fußfessel erlaubt.
Auffällig ist die hohe Wiederverurteilungsquote, die zuletzt über alle Altersgruppen bei insgesamt 30 Prozent lag – bei Jugendlichen sind es sogar 56 Prozent, die mindestens ein zweites Mal verurteilt werden. 12 Prozent werden sogar dreimal oder noch öfter rückfällig.
Vorstrafen werden bei Jugendlichen nach fünf und bei Erwachsenen nach zehn Jahren getilgt, danach gilt man wieder als unbescholten. Im Bewerbungsgespräch nach Vorstrafen zu fragen, ist in Österreich grundsätzlich verboten, außer es geht um bestimmte Jobs, bei denen eine einschlägige Vorstrafe ein Hinderungsgrund sein könnte oder für die ein besonderes Vertrauensverhältnis notwendig ist. Zum Beispiel darf eine Bank sicherstellen, dass sie nicht einen verurteilten Finanzbetrüger anstellt. Wer nach Vorstrafen gefragt wird, muss nicht antworten, darf aber auch nicht lügen. Durch seine Verurteilung war Elias übrigens für das Bundesheer untauglich, weil er keine Waffe tragen darf.
Der Sport- und Resozialisierungsverein Phönix wurde im Jahr 2020 gegründet. Seither wurden dort rund 200 junge Menschen betreut, die nach einer Haftstrafe wieder ein „normales“ Leben führen wollen.
Weiterführende Links
- Insass:innen im Strafvollzug
- Ausländische Häftlinge in Österreich
- Wiederverurteilungsquote
- Verein Phönix - Training for Life
- WZ: Baustelle Jugendstrafvollzug
- WZ: Abgesessene Jugend
- WZ: System Strafe: Wie entscheiden Gerichte in Österreich?
- Der Standard: Warum der Jugendstrafvollzug immer noch eine Baustelle ist
- Der Standard: Hat ein Arbeitgeber das Recht, von Vorstrafen zu wissen?
- ORF: Weniger Urteile, aber mehr Verdächtige
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00:00:04: Am Anfang bin ich circa drei Monate in Untersuchungshaft gewesen in der Josefstadt und danach fünf Monate circa war ich in Koneiburg, weil ich wieder Blödsinn gemacht habe und den Rest habe ich mit der Fußfessel beendet.
00:00:22: Es gab schon deutlich mehr Möglichkeiten, um die Zeit einfach totzuschlagen, aber auch um die Zeit sinnvoll totzuschlagen.
00:00:31: Alle diese Sachen kann man Ganz schnell mal verlieren, wenn man sich schlecht benimmt.
00:00:38: Das ist auch eine der Sachen, die ich am meisten beruhe.
00:00:41: Die Zeit, die man verliert.
00:00:46: Mitra, was war das Schlimmste, was du als Jugendliche angestellt hast?
00:00:53: Also es ist eh schon verjährt.
00:00:55: Ich habe mal einen Stein in Herzform mitgehen lassen bei einem Mineraliensammler, bei dem ich war mit meinem Vater damals.
00:01:04: Da war ich vielleicht sechs oder sieben Jahre alt.
00:01:07: Also Volksschulalter.
00:01:09: Und ich habe dann so ein schlechtes Gewissen gehabt, dass ich ihm den Stein ein paar Jahre später wieder an die Tür gehängt habe.
00:01:17: Mit sechs, sieben Jahren warst du damals noch nicht strafmündig.
00:01:20: Das hätte auch keine Konsequenzen für dich gehabt, weil strafmündig ist mir das auf vierzehn Jahren.
00:01:26: Mein Gesprächspartner für unsere heutige Folge allerdings war wesentlich älter als du und er hat weiter schlimmere Dinge angestellt, also einen Stein zu stellen.
00:01:35: Dafür ist er damit sechzehn Jahren tatsächlich im Gefängnis gelandet.
00:01:38: Hallo und herzlich willkommen beim BZ Podcast weitergedacht.
00:01:41: Mein Name ist Matthias Ziegler.
00:01:43: Und ich bin Petra Tempfer.
00:01:45: Und wer war denn dein Gesprächspartner Matthias und was hat er denn angestellt?
00:01:51: Nennen wir ihn Elias eigentlich erst der andere, sondern möchte lieber anonym bleiben.
00:01:55: Er ist heute zwanzig Jahre alt und bei ihm ist damals einiges zusammengekommen, was ihn insgesamt zwei Jahre in Haft gebracht hat.
00:02:03: Da war schwerer Raub dabei, Körperverletzung, Suchtmittel vergehen.
00:02:08: illegale Waffenbesitz, wobei manches davon vielleicht wilder klingt, als es letztlich war, weil illegale Waffenhandel zum Beispiel beginnt ja schon mit der Beschaffung oder der Weitergabe von verbottenen Gegenständen wie Schlagringen.
00:02:19: Also da reden wir jetzt nicht unbedingt von Pistolen an Maschinengewehren.
00:02:24: Was mich aber natürlich am meisten interessiert hat, war, wie Elias seine Zeit als Jugendliche im Gefängnis erlebt hat.
00:02:31: Du warst dir insgesamt zwei Jahre im Gefängnis
00:02:35: durchgehend?
00:02:36: Nicht durchgehend.
00:02:38: Am Anfang bin ich ca.
00:02:39: drei Monate in Untersuchungshaft gewesen in der Josefstadt.
00:02:45: Danach, fünf Monate, war ich in Koneuburg, weil ich wieder Blödsinn gemacht habe.
00:02:52: Den Rest habe ich mit der Fußfessel beendet.
00:02:56: Das heißt, das war nicht eine Haftstrafe, sondern du hattest mehrere Haftstrafen?
00:03:01: Zwei, ja.
00:03:02: Wenn man es genau nimmt.
00:03:04: Wie hast du diese Zeit im Gefängnis erlebt?
00:03:06: Wie kann man sich das vorstellen, das Leben in Gefängnis?
00:03:09: Also ich mache da deutliche Unterschiede zwischen den Justizanstalten erstmal.
00:03:15: Also die Josefstadt ist auf jeden Fall viel schlimmer gewesen als Kornoyburg.
00:03:21: Es gab auch in Kornoyburg hin und wieder Beamte, die sich ein eingesetzt haben
00:03:26: und
00:03:27: da war auch dann der Verein Vönigs irgendwann, die mir das Sportangebot näher gebracht haben.
00:03:32: Ich habe das natürlich angenommen.
00:03:34: Und in der Josefstadt gab's sowas halt eher selten.
00:03:38: Und man musste halt erfinderisch werden im Hof, also beim Spaziergang mit den Kollegen, irgendwie was machen oder in der Zelle selber Sport betreiben.
00:03:47: Gab's Klikbildung zwischen einzelnen Ethnien?
00:03:51: Nein, also das war bei uns überhaupt nicht der Fall.
00:03:55: Die meisten haben halt gemeinsam gebetet, gemeinsam gegessen, gemeinsam Sport gemacht und das fand ich halt auch toll, man hat halt wirklich gesehen.
00:04:04: Nationalität hat nicht so sehr eine Rolle gespielt.
00:04:07: Wie viele war es in der Zelle?
00:04:09: In der Josefstadt war ich maximal zu dritt in der Zelle.
00:04:13: Das war damals in der Quarantänezeit.
00:04:15: Und danach war ich zu zweit in der Zelle.
00:04:17: Wobei es zu mehr Auseinandersetzungen kam, wo man zu dritt in der Zelle war.
00:04:23: Weil es auch relativ eng war.
00:04:25: Was hat man in der Zelle und was hat man nicht?
00:04:28: Also in der Quarantäne in der Josefstadt hat man ein Fernseher.
00:04:32: Man hat ... Sieben Kanäle, also viel war mit Nachrichten und so.
00:04:37: ORF, ORF-Eins, ORF-Zweih.
00:04:40: In Josefstadt war es auch nach der Quarantäne so, dass man genau diese Sachen hatte eigentlich.
00:04:44: Und in Korneuburg hatte man dann eine Dusche in der Zelle.
00:04:48: Das war schon mal sehr gut, also was die Hygiene betrifft.
00:04:51: In der Strafhaft konnte man sich tatsächlich auch an der Playstation II eine Restaurierte holen, mit aber jetzt keinen Gewalt spielen oder so einfach nur... gesellige Spiele und die, die unter achtzehn waren auf jeden Fall.
00:05:09: Und ja, man hat auch das Angebot, dass man sich Bücher ausbauen konnte, man konnte sich ein Schachbrett ausbauen, Karten.
00:05:17: Also es gab schon deutlich mehr Möglichkeiten, um die Zeit einfach totzuschlagen, aber auch um die Zeit sinnvoll totzuschlagen.
00:05:26: Weil die Zeit kommt einem schon extrem lange vor, dann ja.
00:05:31: Man versucht natürlich so gut wie möglich, die Zeit zu nutzen, trainieren, sich unterhalten, ab und zu etwas zeichnen.
00:05:39: Also es gibt schon viele Möglichkeiten, aber das auch eher in Konneuburg als in Jossestadt, weil in der Jossestadt da hatte man höchstens halt dieses eine Schachbredaktion ausgebrockt haben.
00:05:51: Aber alle diese Sachen kann man ganz schnell mal verlieren, wenn man sich schlecht benimmt.
00:05:58: Das finde ich aber auch gut, weil Wer sich nicht benehmen kann, dem sollte man sowas auch nicht geben.
00:06:06: Gibt es die Möglichkeit, dass man im Gefängnis eine Lehre weitermacht, arbeitet irgendwie und sich beschäftigt hält, wieder auf den Arbeitsmarkt vorbereitet wird?
00:06:15: Ja, gibt es auf jeden Fall.
00:06:16: Also in Jürgenstadt und auch in Konneuburg gibt es die Möglichkeit, die Lehre abzuschließen, falls man eine begonnen hat oder eine Lehre zu beginnen, wenn man genug restliche Strafzeit hat.
00:06:28: Hast du die genutzt?
00:06:29: Nein, weil da nichts für mich dabei war.
00:06:31: Also ich habe gewusst, was ich mache nach meiner Haftzeit.
00:06:34: Und das hat mir gereicht.
00:06:36: Also ich habe als Hausarbeiter gearbeitet und das war eher einer der best bezahlten Jobs im Gefängnis.
00:06:41: Also dachte ich mir, das passt schon.
00:06:43: Und mir wurde auch in Koneiburg vor allem von einem Beamten geholfen, dass ich lernen kann, weil ich davor die Handelsakademie besucht.
00:06:52: Und es hat dann irgendwie geklappt, dass ich meine... Bücher bekommen zum Lernen und da habe ich dann wieder ein bisschen reingeschaut und bin reingekommen ins Lernen.
00:07:03: Ja,
00:07:04: das fand ich auch sehr toll.
00:07:05: In Josefstadt war das zum Beispiel eher nicht so.
00:07:09: Das heißt in Kanoalburg zumindest wusstest du nicht die Zeit nur Totschlangen, sondern warst eigentlich tatsächlich auch beschäftigt?
00:07:14: Ja, auf jeden Fall.
00:07:15: Also es gab auch viele Möglichkeiten, um beschäftigt zu sein.
00:07:18: Es gab auch ein EDV-Raum, der konnte man neue Sprachen erlernen.
00:07:21: Da konnte man sogar in der ARD-Mediathek ein bisschen rumsurfen.
00:07:26: sich Dokumentationen anschauen, am neuesten Stand bleiben, mehr oder weniger.
00:07:32: Ja, fand ich schon sehr toll an Koneiburg.
00:07:35: Gibt es Privatsphäre im Gefängnis?
00:07:37: Nein, würde ich nicht sagen.
00:07:41: Also, man ist ja meistens mit deinen Zellenkollegen.
00:07:44: Es gibt ab und zu Einzelzellen, ja.
00:07:47: Aber ich weiß jetzt nicht, was die genauen Kriterien sind, dass man so eine bekommt.
00:07:53: Und ich persönlich finde, Also für mich wäre eine Einzelzelle nichts gewesen, weil diese Unterstützung auch von den Mithäftlingen oder dieses Kommunizieren jemanden zumindest mal haben, auch in einer Notsituation, wenn es einem mal richtig schlecht geht, finde ich ehrlich gesagt besser als jetzt eine Einzelzelle zu haben.
00:08:14: Hast du immer den selben Mithäftling gehabt in Koneilburg?
00:08:17: Nein, ich hatte tatsächlich mehrere Mithäftlinge und ich hatte aber nie mit einem meinen Problem in Koneilburg.
00:08:24: In der Josefstadt war das schon so, aber nur am Anfang in der Quarantäne, wo wir zu dritt waren, da war ein Mithäftling, der uns überhaupt nicht benehmen können, hat die ganze Zeit aus den Fenster zum Beispiel geschrien, auch in der Nacht, hat uns aufgewägt, also quasi null Empathie.
00:08:40: Und das finde ich schon wichtig, vor allem, wenn man zu dritt auf so engem Raum zusammenlebt.
00:08:46: Warst du der Jüngste in Konneuburg in der Zelle?
00:08:49: Ja, in Konneuburg und in Josefstadt war ich auch immer der Jüngste.
00:08:52: Und der hat dann viel Elke als du, oder?
00:08:54: In Koneuburg waren sie schon immer viel älter als ich.
00:08:57: Ich hatte nur einen Mithäftling, der war nur zwei Jahre älter als ich, den Dennis.
00:09:02: Und mit ihm habe ich mich auch am besten verstanden logischerweise.
00:09:07: Ihn hat sich auch am Ende meiner Haft quasi in Koneuburg.
00:09:11: Und die Zeit werde ich auf jeden Fall nicht vergessen, weil das war dann schon so die Zeit, wo ich wusste, okay... Bald bekomme ich die Fußfessel, es entspannt sich wieder.
00:09:22: Ich habe mich gut benommen in den letzten Monaten und bin auf einem guten Weg.
00:09:28: Das war dann mal eine Zeit, an die ich mich gerne erinnere im Gefängnis.
00:09:33: Hast du heute noch Kontakt zu ihm?
00:09:35: Ja, auf jeden Fall.
00:09:40: Elias war also zuerst in der Justizanstalt Josefstadt in Wien und danach in Kornneuburg.
00:09:45: Warum war er nicht im Junggefängnis in Gerasdorf?
00:09:49: Das ist zwar voriges Jahr aufgelöst worden, aber als Elias in Haft war, hat es das ja noch gegeben.
00:09:55: Stimmt schon, aber das wäre weiter weg gewesen von daheim.
00:09:58: Und Federn seine Familie war es besser, da sie in Kornalberg eingesessen ist.
00:10:02: Deshalb hat er damals beantragt, dass er ins Erwachsenengefängnis kommt, obwohl er minderjährig war.
00:10:06: Wie viele Jugendliche sind eigentlich in Österreich in Haft?
00:10:09: Im heurigen Oktober waren es hundert, sieben und fünfzig Burschen und fünfzehn Mädchen im Alter zwischen vierzehn und achtzehn Jahren.
00:10:18: Weitere aus mehr Buben als Mädels.
00:10:19: Ah ja, und eben, weil man erst ab vierzehn Jahren straffmündig ist, wie du gesagt hast.
00:10:24: Genau, deshalb sind es die vierzehn bis achtzehn jährigen.
00:10:27: Und insgesamt büßen in Österreich derzeit rund zehn tausend Menschen eine Haftstrafe ab.
00:10:32: Davon sind nur sieben Prozent vorhanden.
00:10:35: Und unsere Justizanstalten platzen dabei aus allen Nähten, weil die Belagskapazität eigentlich zu hundertzehn Prozent ausgeschöpft ist.
00:10:42: Wie geht sich das dann aus, bitte?
00:10:45: Wahrscheinlich schlecht bis gar nicht.
00:10:46: Sehr eng jedenfalls.
00:10:48: Deshalb wird ja auch die elektronische Fußfessel immer öfter eingesetzt.
00:10:51: Wie bei Elias.
00:10:52: Genau.
00:10:53: Vor allem zeigt die Erfahrung, dass gerade bei Jugendlichen eine Haftstrafe nicht unbedingt das beste Mittel ist.
00:10:59: Junge Menschen werden ja auch leider oft rückfällig, oder?
00:11:02: Das stimmt ja.
00:11:03: Laut der jüngsten Kriminalstatistik liegt die Wiederverurteilungsquote insgesamt, also über alle Altersgruppen, bei dreißig Prozent,
00:11:11: also
00:11:11: bei knapp einem Drittel.
00:11:13: Bei Jugendlichen sind es aber sechsundfünfzig Prozent, also mehr als die Hälfte der Jugendlichen in Haft.
00:11:18: wird noch einmal straffällig danach.
00:11:20: Und zwölf Prozent werden sogar dreimal oder noch öfter rückfällig.
00:11:24: Wieder wie bei Elias, der wenigstens noch einmal wieder straffällig geworden ist nach dem ersten Mal.
00:11:29: Aber jetzt würde mich noch interessieren,
00:11:31: wie
00:11:32: das Ganze eigentlich passiert ist und wie Elias in die Kriminalität gerutscht ist.
00:11:38: Das erzählt uns am besten selber.
00:11:42: Die Jugend ist ja Übermut auf jeden Fall.
00:11:50: Irgendwie im eigenen Film gelebt, also auch viel, viel geraucht, alle möglichen Drogen probiert.
00:11:58: Das war auch nichts wirklich toll.
00:12:04: Hast du damals mit fünfzehn Jahren damit gerechnet, dass du womöglich erwischt werden könntest und verurteilt werden könntest und den Gefängnis landen könntest?
00:12:12: Ja, die Paranoia war auf jeden Fall da, muss ich sagen.
00:12:17: Hätte ich vielleicht sogar mehr davon gebraucht, vielleicht hätte sich dann was geändert, aber ja, man hat es dann immer runtergespült mit irgendwelchen Substanzen.
00:12:26: Das war auch nicht der Schlauste eigentlich.
00:12:30: Also du hast die Gedanken an dieses Risiko einfach verdrängt?
00:12:32: Ja, ja.
00:12:34: Wenn du jetzt zurückschaust auf diese Zeit, glaubst du hättest irgendetwas gegeben?
00:12:38: was irgendjemand machen hätte können, um dich davon abzuhalten.
00:12:41: Hätte irgendetwas anders laufen müssen in der Schule, in deinem privaten Umfeld, dass das nicht passiert
00:12:46: wäre?
00:12:47: Ja schon, also als ich in der Volksschule war, habe ich viel Diskriminierung erlebt.
00:12:51: Ich wurde auch sehr viel ausgeglänzt.
00:12:53: und dann, wo ich ins Gymnasium gekommen bin, da habe ich dann halt eher was mit, sag ich mal, Leuten mit ausländischen Wurzeln gemacht.
00:13:01: Weil du sagst, Ausländer, du bist aber gebütige Österreicher.
00:13:05: Ja schon, aber... Ich glaube man erkennt das am Aussehen, dass ich jetzt nicht wirklich österreichisch aussehe.
00:13:16: Da wird man dann oft Ausländer genannt.
00:13:19: Es hat sich alles in der Zeit auf jeden Fall so entwickelt und dass man das so ein bisschen nachvollziehen kann.
00:13:26: Danach war ich halt im Gymnasium und habe halt mit den Älteren immer was unternommen, die auch Wurzeln hatten, sag ich mal.
00:13:33: Also du bist nicht von alleine auf die Idee gekommen, Schlagging aus Tschechien zu holen?
00:13:37: Nein, auf jeden Fall.
00:13:38: Das
00:13:38: waren ältere, die dich da mit angestiftet haben?
00:13:40: Auch, ja.
00:13:41: Aber mit angestiftet, also man entscheidet am Ende immer selbst, sag ich.
00:13:47: Also ich war auch selber ein bisschen dumm und fehlgeleitet.
00:13:50: Hat dir Haft dann was bei dir verändert?
00:13:53: Ja, auf jeden Fall.
00:13:54: Weil du sagst, du bist ja einmal zumindest rückfällig geworden.
00:13:57: Gehst du davon aus, dass du heute safe bist, was das betrifft?
00:14:00: Ja.
00:14:01: Also ich habe eine Frau, ich bin verheiratet.
00:14:03: Ich mache meine Lehre mit Motore, habe nebenbei ein Trainerjob.
00:14:07: Ich fange jetzt meine Trainerausbildung an, die auch von Vönigs unterstützt würde.
00:14:11: Danke dafür.
00:14:13: Und ja, ich freue mich auf jeden Fall, immer mehr zu lernen.
00:14:17: Und ich bin eigentlich ein anderer Mensch, jetzt sage ich mal.
00:14:27: Heute ist Elias ein anderer Mensch, als noch vor ein paar Jahren, sagt er.
00:14:32: Die Zeit im Gefängnis hat ihn also wirklich massiv geprägt.
00:14:35: Mich würde ja irgendwie interessieren, was aus seinem Leben geworden wäre, wenn er nicht in Haft gewesen wäre, wenn er die Schule fertig gemacht hätte und so weiter.
00:14:44: Wer weiß?
00:14:45: Vielleicht hätte er die Matura gemacht und würde jetzt IT studieren, statt die IT-Lehrer mit Matura zu machen.
00:14:51: Auf mich wiegt der Lias jedenfalls zufrieden damit, wie er derzeit beruflich steht.
00:14:55: Einen Job zu finden ist sicher gar nicht so leicht, wenn man eine Vergangenheit als ehemaliger Heftling hat, oder?
00:15:02: Er bei Elias war das gar kein Thema, der mir erzählt, weil er niemand danach gefragt hat.
00:15:06: Das ist in Österreich übrigens verboten, wenn es nicht um bestimmte Jobs geht, bei denen eine einschlägige Vorstrafe ein Hinderungsgrund sein könnte oder wo es um ein besonderes Vertrauensverhältnis geht.
00:15:15: Also zum Beispiel darf eine Bank schon sicherstellen, dass sie nicht einen verurteilten Finanzbetrug anstellt.
00:15:21: Aber grundsätzlich musst du auch nicht antworten, wenn du beim Bewerberungsgespräch nach einer Vorstrafe gefragt wirst.
00:15:27: Lügen darfst aber auch nicht.
00:15:28: Na ja, und wenn du nicht antwortest, machst du dich ja eigentlich auch schon ziemlich verdächtig.
00:15:33: Ja, Schweigen spricht natürlich dann auch Bände.
00:15:36: Was auch nicht unwichtig ist, in Österreich werden Vorstrafen bei Jugendlichen fünf Jahre und bei Wachsenden zehn Jahre nach dem Absitzen dahaft getilgt.
00:15:44: Das heißt, in drei Jahren ist der Elias wieder unbeschulden und dann darf er auch wieder nach Großbritannien einreisen.
00:15:50: Wieso Großbritannien?
00:15:51: Weil es nicht EU ist?
00:15:53: Ja, seit dem Brexit gibt es da eigene Einreisebestimmungen.
00:15:57: Und Elias hatte das Problem, dass er Urlaub in Großbritannien machen wollte, hat schon alles bezahlt und ist dann draufgekommen, dass er wegen seines Vorstraferis das nicht einreisen darf.
00:16:06: Obwohl der gebütige Österreicher so einen österreichischen Reisepass hat.
00:16:10: Okay, Elias ist der gebütige Österreicher, aber er wurde in der Schule als Ausländer behandelt und diskriminiert, sagt
00:16:18: er?
00:16:19: Seine Eltern kommen aus Afghanistan und das sieht man ihm halt optisch an.
00:16:23: Das mit der Großbetanenreise hat er dann Gott sei Dank noch lösen können, indem er sich auf seine Vater umgebucht hat.
00:16:28: Ah, weißt du, was mir noch einfällt?
00:16:30: Eine Folge von Niles Haftstrafe ist auch, dass er nach seiner Vorurteilung keine Waffe tragen darf.
00:16:36: Und damit war er fürs Bundesjahr untaglich.
00:16:38: Zivildienst war dann auch kein Thema?
00:16:41: Untaglich heißt, du bist komplett raus.
00:16:43: Aber der Lies hat einen anderen Weg gefunden, wie er sich zivilgesellschaftlich engagieren kann.
00:16:47: Hat das was mit seiner Arbeit als Trainer zu tun?
00:16:50: Ganz genau.
00:16:51: Er ist nämlich schon im Gefängnis mit dem Sport- und Resozialisierungsverein Phoenix in Kontakt gekommen.
00:16:56: Der ist vor rund fünf Jahren gegründet worden und hat bisher rund zweihundert junge Menschen helfen können, ihr Leben wieder auf die richtige Bahn zu bringen.
00:17:03: So auch dem Helios.
00:17:04: Und heute hilft er selbst als Trainer jungen Menschen dabei.
00:17:10: Du bist ja jetzt neben der Arbeit auch bei Phoenix selber aktiv?
00:17:15: Ja, möchte ich auch immer bleiben, wenn es geht bis ans Ende meines Lebens vom Meer aus.
00:17:22: Weil ich finde es super und ich finde es wirklich als einer der besten Möglichkeiten sich zu resozialisieren, weil im Sport gibt es immer klare Regeln, egal von woher man kommt und wer man ist.
00:17:35: Neunundneinzig Prozent aller Menschen, finde ich, respektieren auch diese Regeln, solange es um Sport geht.
00:17:42: Und so gliedert man sich, finde ich, auch sehr gut wieder in die Gemeinschaft ein.
00:17:48: Fastgen Autostuppe für nix.
00:17:51: Ich bin Kraft- und Fitnesstrainer.
00:17:53: Ich mache meistens Crossfit mit den Leuten, die im Comeback Club sind, also die Leute, die im Gellorkartenvollzug sind, also rausgehen dürfen, ab und zu und arbeiten dort, Leute, die eine Fußfessel haben und Leute, die freigänger sind, die bekommen extra Zeit, dass sie zu uns kommen, mit uns Sport machen.
00:18:13: und viele nutzen natürlich dieses Angebot, weil erstens bekommen sie mehr Freizeit, seitens machen sie was Sinnvolles für sich.
00:18:20: Und drittens sind in einer guten Gemeinschaft mit uns.
00:18:24: Und es macht auf jeden Fall auch immer Spaß.
00:18:26: Was gibst du in der Mitte auf den Weg?
00:18:28: Auf jeden Fall gebe ich Ihnen mit auf den Weg, dass Sie beim Training immer Hundertsehn Prozent geben, auch wenn Sie mal einen schlechten Tag hatten.
00:18:39: Weil der Belohnungsfaktor, finde ich, nach harte Arbeit ist etwas, was man sich nach der Haft auf jeden Fall oder auch in der Haft angewöhnen muss.
00:18:50: Also das ist eine Sache, die Menschen viel dazu bewegt, Gutes zu tun, finde ich.
00:18:57: Was würdest du deine fünf Jahre Jüngerin ich sagen, wenn du die Möglichkeit hättest?
00:19:03: Weiß ich nicht, also ich würde vielleicht an ihm vorbeir reden, wie jeder andere.
00:19:09: Also höchstwahrscheinlich.
00:19:12: Wie sind deine Freunde und deine Familie mit deiner Haft umgegangen?
00:19:15: Hat sich da wer von dir abgewendet?
00:19:18: Ja, also meine zwei älteren Halbbrüder.
00:19:21: Und die sehe ich jetzt auch mehr als Halbbrüder und nicht als mein Blut quasi, weil sie auch... Also es war wie Verrat eigentlich an Familie, mit denen wir nichts zu tun haben bzw.
00:19:38: Familie, die wir nicht als Familie sehen.
00:19:40: Und deswegen habe ich als Kontakt zu denen verloren.
00:19:43: Das hat mich auch sehr geformt, weil ich auf jeden Fall sehr enttäuscht von ihnen war, dass sie so was nicht für sich behalten können.
00:19:50: Hast
00:19:51: du in Ihren Augen Stand über die Familie gebracht?
00:19:54: In Ihren Augen, also es interessiert mich nicht, was Sie denken, meine Eltern und mein kleiner Bruder, also mein Blut steht hinter mir, obwohl die auch sehr enttäuscht von mir waren und das schätze ich am meisten.
00:20:09: Haben dich deine Eltern und den Bruder im Gefängnis besucht?
00:20:11: Ja, das haben sie und darüber bin ich sehr dankbar.
00:20:16: Ein Halbbruder zwar auch, aber dieses eine Mal Bleibt mir auch nur in Erinnerung als ein komisches, also zwielichtiges Treffer.
00:20:25: Also damals hast du eine Freundin gehabt?
00:20:27: Nein, hatte ich nicht.
00:20:29: Hast du vorhin dir verloren durchs Gefängnis, außer deinen Halbbrüdern?
00:20:33: Also ich habe vorhin dir verloren, aber das auch nur weil ich es wollte.
00:20:37: Jeder ist seinen Weg gegangen und das finde ich auch gut.
00:20:40: Das heißt, die von denen du dich abgewendet hast, waren die, die dich eigentlich in die Kriminalität mit reingezogen haben?
00:20:47: Mit reingezogen nicht, wir haben... Gemeinsam scheiße Geburt und haben dann auch gemeinsam diesen Weg gelassen, sag ich mal.
00:20:55: Hast du umgekehrt noch Freunde aus der Haftanstalt?
00:20:58: Ja, hab ich.
00:20:59: Also den Dennis, meinen Zimmerkollegen.
00:21:01: Und ich hab ihn auch bisher so immer betreut.
00:21:03: Er hatte auch starke familiäre Probleme, war auch viel mit Alkohol und zu verbunden.
00:21:08: Kenne ich jetzt nicht aus meiner Familie, aber ich hab ihn auf jeden Fall immer motiviert, Sport mit mir zu machen.
00:21:13: Weil das bei mir immer schon so ein Gedanke im Hinterkopf war, ich muss Sport machen.
00:21:18: Und ich trainiere auf jeden Fall sehr hart.
00:21:21: Vier bis fünf Mal die Woche mache ich Sport.
00:21:23: Es macht mir einfach Spaß und ich mag es, dass ich weiß, wenn ich etwas arbeite, dass ich stärker werde.
00:21:29: Auch mental?
00:21:30: Ja, auf jeden Fall.
00:21:31: Was bereust du am ersten im Rückblick?
00:21:35: Die verlorene Zeit und dass ich Leuten damit irgendwie Angst gemacht habe, dass ich gedacht habe, ich bin irgendetwas.
00:21:45: Hast du dich bei den Opfern später entschuldigt?
00:21:47: Im Nachhineinjahr habe ich gemacht.
00:21:50: Was ist dir heute wirklich wichtig im Leben?
00:21:53: Meine Familie, also meine Frau, meine Eltern und die paar Freunde, die mich wirklich begleitet haben nach der Haft.
00:22:03: Welche Zukunftspläne hast du?
00:22:05: Selbstständig zu werden, ein Unternehmen zu führen, hoffentlich ein großes Unternehmen und jeden Tag eine Aufgabe zu haben.
00:22:13: Hast du es im Rückblick das Gefühl, dass du zwei Lebensjahre verloren hast?
00:22:17: Ja, auf jeden Fall.
00:22:19: Das ist auch einer der Sachen, die ich am meisten bereue.
00:22:21: Die Zeit, die man verliert.
00:22:23: Die Zeit ist so kostbar und man lernt das erst zu schätzen.
00:22:28: Leider, wenn es so weit ist.
00:22:31: Und das ist, glaube ich, immer so in jeder Lebenssituation.
00:22:36: Also die verlorenen Jahre tun Elias weh.
00:22:39: Das ist ganz klar.
00:22:41: Aber... So, wie er das erzählt, war in einem richtigen Strudel drinnen, aus dem er einfach nicht mehr so leicht rausgekommen ist.
00:22:50: Und dann eben auch in einem kriminellen Freundeskreis, wo er auch dazugehören wollte, wo er auch Leute gehabt hat, die ihn verstanden haben in seiner Situation, denen das vielleicht zugegangen ist wie ihm als Kind.
00:23:02: Aber was sein Beispiel wirklich deutlich macht, ist, wie wichtig die Resozialisierungsarbeit ist.
00:23:08: Weil wenn die schon... Bei seinem ersten Gefängnisaufenthalt stärker stattgefunden hätte, wäre er vielleicht nicht rückfällig geworden und erneut in Haft gelandet.
00:23:18: Ja, wo ich mir ein bisschen schwer tu, ist die Frage, ob man die kriminelle Karriere von Elias insgesamt hätte verhindern können.
00:23:25: Die Ausgrenzung und Diskriminierung der Schule soll ich bitte keine Entschuldigung sein, aber es zeigt halt schon auch, dass Integration eine wichtige Rolle spielt.
00:23:35: Und es ist tatsächlich so, dass im vergangenen Jahr sechzig Prozent der Neuinhaftierten in Österreich Ausländerinnen waren.
00:23:42: Bei den Amerikanthinnen Anteil an der Gesamtbevölkerung von knapp zwanzig Prozent.
00:23:47: Also eine gewisse Korrelation ist das sichtbar und da hat sicher auch die Art und Weise, wie der Elias als Kind behandelt wurde, eine Rolle gespielt.
00:23:55: Und du meinst, gerade bei Jugendlichen, die sich hier in Österreich nicht voll integriert fühlen, ist die Gefahr umso größer, dass sie in die Kriminalität abrutschen?
00:24:05: Darauf weisen jedenfalls alle Statistiken hin.
00:24:08: Ich bin jedenfalls wirklich sehr froh, dass Elias wieder herausgefunden hat aus der Kriminalität, auch weil er weiß, was es bedeutet, eingesperrt zu sein.
00:24:17: Wir sind am Ende unserer heutigen Folge angekommen.
00:24:21: Danke, dass ihr mit dabei wart und wir würden uns freuen, wenn ihr kommende Woche wieder einschaltet bei unserem WZ Podcast weitergedacht, den ihr überall hören könnt, wo es Podcasts
00:24:32: gibt.
00:24:33: Bis dahin.
00:24:34: Macht's gut.
00:24:35: Danke fürs Zuhören.
00:24:37: Ciao.
00:24:37: Ciao!
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